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Darf's ein bisschen mehr zu tun sein?

Der Alleinerziehendenmist

 

Heute schreibe ich einmal nichts Ärztliches. Heute schreibe ich etwas Privates. Denn ich bin zwar natürlich gerne Ärztin, aber genauso gerne bin ich Mutter. Ich möchte weder meine Kinder noch meinen Beruf missen. 

 

Vor knapp zwei Jahren wurde alles anders. Von geregelten familiären Verhältnissen ging der Weg hin zur alleinerziehenden Mutter. Wobei ich hier differenzierend anmerken muss, dass ich nicht vollkommen alleine erziehe. Wir erziehen getrennt, denn die Kinder haben ihre festen Papa-Zeiten und jeder springt mal für den anderen ein, wenn etwas dazwischen kommt. 

 

Mir geht es gut damit, denn ich bin weder fies verlassen worden noch habe ich Probleme mit dem Papa der Kinder. Im Gegenteil, wir sehen uns weiterhin als Eltern, verstehen uns gut und kommunizieren viel. Die Kinder können nichts dafür, wenn Eltern kein Paar mehr sein wollen. 

 

Trotzdem: Es ist scheiße anstrengend. Sorry. 

 

Jeder Tag ist von 5:30 Uhr bis um 21:00 Uhr durchgeplant. Es gilt, die Kinder zu versorgen, Schulbrote zu machen, das Haus nicht im Chaos versinken zu lassen, zur Arbeit zu gehen. 

 

Der Vormittag

 

Dort auf der Arbeit muss ich als Ärztin mein Bestes geben, denn ich kann nicht einem Patienten sagen: „Entschuldigung, ich habe schlecht geschlafen, weil mein kleiner Sohn heute Nacht Alpträume hatte/gekotzt hat wie ein Reiher/hustet. Wir machen heute mal nur Sparprogramm.“

 

Nein. Der Patient hat einen Termin und erfordert für diese 5-15 Minuten volle Aufmerksamkeit. Zu Recht. Manche Menschen warten auch mal länger auf einen Termin bei mir und dann schulde ich Ihnen dieses Zeitfenster. Doch genau das habe ich am Vormittag viele, viele Male. 

 

Einfach sind die Fälle von Husten-Schnupfen-Heiserkeit: Abhören, in den Hals und die Ohren sehen und entscheiden, ob ein Antibiotikum nötig oder bloß eine Krankschreiben fällig ist. Das kann ich auch lädiert mit nur einer arbeitenden Gehirnhälfte. 

Wer aber seelischen Kummer hat oder Brustschmerzen seit Tagen, dem muss volle Konzentration geschenkt werden. 

 

Dann verlässt der Patient das Sprechzimmer. „Der Nächste, bitte“. Zurück auf Los, gehen Sie direkt dort hin, ziehen Sie nicht 4000 Mark ein. Wieder volle Aufmerksamkeit. 

 

Der Nachmittag und Abend

 

Am Mittag, nach 25-50 Patienten je nach Jahreszeit, bin ich geschlaucht und mein Gehirn ist müde. Zuhause esse ich, räume das Chaos vom Morgen auf, ruhe kurz aus. 

Dann werden die Kinder abgeholt, Hausaufgaben gemacht, zum Turnen/Malen/Leichtathletik/ etc. gebracht. Schließlich möchten die Kinder noch Aufmerksamkeit haben, erzählen, Spiele spielen. 

 

Zwischendurch wird mal Wäsche gewaschen, Snacks zubereitet, Spülmaschinen ausgeräumt, das Abendessen gemacht, Popos abgeputzt, die Kinder gebadet, Nägel geschnitten, Spielzeugautos gesucht, staubgesaugt, verschüttete Getränke aufgewischt, eingekauft, Abendessen gemacht, Tisch wieder aufgeräumt.

 

Dann sind da noch die extra Termine, die man in den Alltag einbauen muss: 

Weihnachtsfeier in der Schule und im Kindergarten, auf denen man natürlich nicht ohne ei-nuss-schokoladenfreie Plätzchen auftauchen darf. 

Weihnachtliche Backaktionen. Weihnachtstheater. Weihnachtsfeiern. Weihnachten ist ganz grandios.

Elternabende in Schule und Kindergarten (Organisation: wer passt auf die Kinder auf?), Arzttermine, Praxisbesprechungen (Organisation: wer passt auf die Kinder auf?). 

 

Die Kinder gehen um 19:45 Uhr ins Bett. Es folgen die Gute-Nacht-Geschichte, spontane Referate über den Sinn des Lebens und den Urknall, beruhigende Worte über die im realen Leben fehlende Existenz von Voldemort, Diskussionen über PawPatrol und warum eigentlich die Banane krumm und der Himmel blau ist. 

Es mag sein, dass ich den Kindern die Grenzen zu weit stecke, aber die Zeit mit Ihnen gibt mir niemand wieder. Sie müssen sich an Grenzen halten, denn ich bin gerade hinsichtlich Benimm und Anstand sehr fordernd. Doch innerhalb der Grenzen bin ich entspannt und sie bewegen sich frei und machen ihre Sache gut. Es ist toll, sie wachsen und sich entwickeln zu sehen. 

 

Abends ab 20:15 Uhr ist dann Ruhe und ich mache das, was liegen geblieben ist: Küche aufräumen, eine Wäsche legen, Emails beantworten, Spülmaschinen reparieren, vorkochen, um 22:30 das kleine Kind wie einen nassenden, schlafenden Sandsack auf die Toilette schleppen. 

 

Meine reichhaltige Freizeit 

 

In meiner Freizeit, wenn die Kinder beim Papa sind, mache ich mein Notarztpraktikum, gehe schwimmen und biken, mache Bürokram, Wäsche (es ist unglaublich, wieviel Wäsche man mit zwei Jungs hat), räume die Wohnung um und den Keller auf, und ich blogge. Im Sommer gibt es meinen großen Gemüsegarten (Gott, ich vermisse ihn gerade schmerzlich) und gelegentlich gehe mal aus. Mit ganz viel Muße lerne ich für den Journalismus, aber das kommt aktuell ein wenig zu kurz. 

 

Mittwochs habe ich frei. Der Vormittag gehört mir und hier mache ich nur Dinge, die mir und meiner Seele wichtig sind, treffe Menschen und trinke Kaffee. 

 

Zeiten der Ruhe kenne ich jedoch fast nicht. Manchmal kommt der Frust hoch, weil man jeden schweren Einkauf alleine schleppen, die streikende Spülmaschine selbst reparieren und das verstopfte Klo unter vollem Körpereinsatz selbst befreien muss. Weil in der Regel niemand für Dich mal Abendessen macht. Weil bei jedem „MAAAMAAA“ niemand anderes aushelfen kann.

 

Doch dennoch denke ich, dass die Kinder auch Positives daraus ziehen können, denn sie lernen, dass man auch in anstrengenden Zeiten immer etwas zum Lachen hat und dass sie geliebt werden. Sie lernen hoffentlich, dass man alles schaffen kann. 

 

Ich für mich habe festgestellt, dass ich ein ganz tolles soziales Netzwerk und grandiose Freunde habe. Freunde sind gegangen und Neue dazu gekommen. Ich habe gelernt, was ich zu leisten imstande bin und dass es viele Möglichkeiten im Leben gibt, glücklich zu sein. Den einen Weg gibt es nicht. Und meiner wird sich irgendwann auch wieder ändern.