Voll verqualmt

Es ist Samstagmorgen, 5:30 Uhr und die beste Zeit, einen Blogartikel zu schreiben. Ich hänge mit der Nase über meiner Kaffeetasse und fröne meiner zum Glück einzigen Sucht. Wie eine alte Frau gehe ich mit der Tasse ans geöffnete Fenster und hänge gemütlich am Fenstersims herum (ich brauche ein Fensterkissen, fällt mir dabei ein), als mir der Geruch von Zigaretten in die Nase steigt. Jemand macht seine morgendliche Gassi-Runde mit Hund und geht seiner vielleicht nicht einzigen Sucht nach. 

 

 

Tönerne Aschenbecher auf Fliesentischen 

 

Der Geruch erinnert mich sofort an meine Kindheit: Kaffeeduft und Zigarettenrauch gehörten unweigerlich zusammen, wenn am frühen Morgen die erste Kippe in der Wohnung angesteckt wurde. Zarte Rauchschwaden waberten durch das Wohnzimmer mit den nikotingelben Tapeten und die erste Zigarette steckte im selbstgetöpferten Aschenbecher auf dem Fliesentisch.

Ja, wir hatten einen Fliesentisch. Und ich habe als Kind noch Aschenbecher getöpfert. 

 

Mit der Familie in den Urlaub zu fahren bedeutete, im Auto geräuchert zu werden. Ist ja nicht so schlimm. Fenster ist ja geöffnet, Rauch zieht ab. Mein Vater - nun 20 Jahre rauchfrei - hat sich schon oft dafür entschuldigt: „Wir dachten wirklich, man riecht es nicht mehr.“ Die Rauchernase hat es nicht mehr wahrgenommen.

Natürlich kann man inzwischen sagen, dass man um die Gefahren wusste. Aber Rauchen war vor 30 Jahren noch alltäglich und normal und das noch sehr lange bis in meine Zwanziger hinein.

 

Als ich älter war und oft mit dem Zug zu meinem damaligen Freund fuhr, musste ich oft durch den gesamten Regionalexpress laufen, bis ich ein Nichtraucherabteil fand.

Mein Kneipenjob bedeutete: Kämpfe Dich durch vier Räume Rauchschwaden, stinke wie ein Aschenbecher und spucke am Abend die schwarzen Überreste aus Speichel und schwarzem Rotz aus. Sorry. Rauchen ist nun mal widerlich. Der Rotz wusste es bereits. 

 

Inzwischen kann man glücklicherweise rauchfrei essen gehen, Zug fahren und muss keine tönernen Aschenbecher mehr basteln. 

 

 

120.000 Todesopfer pro Jahr 

 

Aber Nikotinkonsum ist und bleibt eine ernstzunehmende Sucht in Deutschland, die viele Todesopfer fordert. Jährlich sterben in Deutschland etwa 120.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. 27 Prozent der erwachsenen Männer und 20,8 Prozent der erwachsenen Frauen rauchen. Bei Jugendlichen ist die Anzahl der Raucher glücklicherweise deutlich gesunken: Von 27,5 Prozent im Jahr 2001 auf 7,4 Prozent im Jahr 2016. 

 

Das freut mich. Als Mutter von zwei Kindern, die hoffentlich nicht rauchen werden.

Und als Hausärztin, weil auch das zum Arbeitsalltag gehört: Aufklärung, Beratung und die ständige Gratwanderung, weil ein Raucher bzw. eine Raucherin nicht ständig Belehrungen hören möchten. 

 

In der Allgemeinmedizin gibt es sogenannte DMP: Disease Management Programme.

Patienten mit chronischen Erkrankungen erklären sich für diese Programme damit einverstanden, dass man sie für regelmäßige Untersuchungen und Kontrollen in die Praxis einbestellen darf. Die DMP gibt es unter anderem für Diabetes mellitus, Asthma bronchiale, Koronare Herzerkrankung und für die COPD, die Chronisch obstruktive Lungenkrankeit, die in den meisten Fällen (nicht in allen) durch langjährigen Nikotinkonsum ausgelöst wird. 

 

Patienten mit einer COPD leiden. Sie haben je nach Stadium Luftnot, häufige bronchiale Infekte und sind schlecht belastbar. Im Endstadium wartet die Sauerstoffflasche auf die Menschen. 

Bekannt ist allen Patienten, dass sie eigentlich nicht mehr rauchen sollten, aber sie tun es trotzdem. 

 

40 packyears heißt, 40 Jahre lang jeden Tag eine Packung Zigaretten geraucht zu haben. Oder 20 Jahre lang jeden Tag zwei Packungen. Wer 20 bis 40 Jahre lang geraucht hat, weiß um dessen Schädlichkeit. Und dennoch sage ich es jedesmal wieder, wenn ein Mann oder eine Frau zum DMP in die Praxis kommt.

Es ist eine Sucht. Aber dennoch eine, die man aufhören kann. Tut man es nicht, will man nicht. Mir ist bewusst, dass ich an dieser Stelle Leser verliere. Doch ich kenne die Patienten, die es wirklich wollen und die, die es gerne wollen würden. 

 

Vielleicht kann ich es mit meinem Kaffeekonsum vergleichen: ich möchte einfach nicht weniger Kaffee trinken. So wie mir der Kaffee ein Gefühl von Entspannung verlieht, geht es Rauchern möglicherweise auch. 

Dennoch schadet mir der Kaffee nicht in dem Maße, wie es eine Zigarette tut. 

 

Als Studentin in der Gefäßchirurgie habe ich täglich den Klassiker erlebt: Jemandem wird ein Raucherbein abgenommen. Noch mit liegender Infusion verschwindet der Patient vor dem Gebäude und wird rauchenderweise gesehen. 

 

 

Maßnahmen zur Rauchentwöhnung

 

Aber wie kann die Rauchentwöhung gelingen?

 

  1. Mit dem Hausarzt reden: Es gibt spezielle Programme, die auch von Krankenkassen angeboten werden. 
  2. Ersatz schaffen: Niktotinkaugummis oder spezielle Medikamente, die an den Nikotinrezeptor ansetzen, können die Entzugsproblematik lindern.
  3. Hypnose: Ich stehe dem kritisch gegenüber, weil die Studienlage dazu nicht schlüssig ist. Sprich: Manchen hat es geholfen, manchen nicht. Die sogenannte S3-Leitlinie der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Medizinisch Wissenschaftlichen Fachgesellschaften) kommt zu dem Schluss, dass die Hypnosetherapie von erfahrenen Hypotiseuren versucht werden kann. An dieser Stelle muss das betont werden: Laienhypnotiseure sind die falsche Wahl.
  4. Akupunktur: Die Akupunktur kann einen deutlichen Placeboeffekt auslösen und die Entwöhnung dadurch unterstützen. 

Das Aufhören lohnt sich immer. Wer im Alter von 40 Jahren mit dem Rauchen aufhört, gewinnt neun Lebensjahre hinzu, verglichen mit dem fortgesetzten Konsum. Man ist belastbarer. Man stinkt nicht mehr. Man spart Geld. Und man schützt seine Kinder. Die Seite www.rauchfrei-info.de der BzGA gibt wertvolle Informationen, rechnet die Einsparung vor und macht Motivationstests. 

 

Für #rauchfrei.

 

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Quellen: 

www.rauchfrei-info.de

Leitlinie Tabakentwöhnung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften AWMF-Leitlinien-Register Nr. 076/006; Entwicklungsstufe: 2

 

Gender: Für besseren Lesefluss verwende ich meist die maskuline Form. Mit Patienten/Hausärzten etc meine ich dennoch natürlich immer alle Geschlechter. 

Bild: Pixabay, reakworkhard