Die Wechseljahre - Hormon- und Begriffswirrwarr

„Des sin die Wechseljahre, Fra Doktor“, sagt meine Patientin und mir fällt es einen Moment lang schwer, sie nicht erstaunt anzuschauen. Denn meine Patientin ist 68 Jahre alt und definitionsgemäß beginnt das Senium, das „Greisenalter“, wie es so schön übersetzt heißt, ab dem 65. Lebensjahr. Ihre Wechseljahre sollten eigentlich schon ein paar Tage vorbei sein.

 

Nun gibt es in der Medizin nichts, was es nicht gibt und in ganz seltenen Fällen können sich die Wechseljahre auch mal bis in das sechste Lebensjahrzehnt ziehen, aber in der Regel erfolgt die Menopause im Alter von ca. 51 Jahre. Die Perimenopause dauert etwa fünf bis acht Jahre und mit Eintritt der Postmenopause endet der reproduktive Lebensbschnitt der Frau. 

 

Alles klar soweit? Nein? Verständlich. Es ist ein kompliziertes Thema.

 

Beginnen wir mit einem Thema zur Frauengesundheit, das leider häufig totgeschwiegen wird. Gehen wir chronologisch vor.

 

Von der ersten bis zur letzten Blutung 

 

Die Menarche bezeichnet die erste Regelblutung. Sie findet bei Mädchen in Europa und den USA mit etwa 11,5 bis 14 Jahren statt. Oft sind die ersten Zyklen anovulatorisch, also ohne Eisprung, dennoch kann ein Mädchen bzw. eine junge Frau in dem Alter bereits schwanger werden. Nämlich dann, wenn eben doch mal ein Ei springt. 

 

Es schließt sich die fruchtbare (reproduktive) Lebensphase an, in der Frauen für ca. 40 Jahre die Freude an Blutungen, Schmerzen und hormonellen Unstimmigkeiten wie  dem Prämenstruellen Syndrom (PMS) haben. Nicht immer, natürlich. Aber immer öfter und Ausnahmen bestätigen die Regel (man beachte das Wortspiel).

 

Die Wechseljahre selbst bezeichnen die Zeit, in der bei Frauen eben diese reproduktive Zeit dem Ende zugeht und die ovarielle Funktion erlischt. 

Die Eierstöcke liegen rechts und links im kleinen Becken der Frau und haben etwa die Größe einer Pflaume. Sie enthalten bereits bei Geburt etwa 400.000 Follikel (die Eizellen), welche einmal im Monat durch das FSH (Follikelstimulierende Hormon) aus der Hirnanhangdrüse zum Springen angeregt werden. 

Die Eierstöcke produzieren außerdem Hormone, vor allem Östrogen und Progesteron, aber auch Androstendion und Testosteron.  

 

Ich finde übrigens den Fakt sehr spannend, dass alle Eizellen bereits bei Geburt eines Mädchens angelegt sind. Im Gegensatz zu den Spermien des Mannes, die im fruchtbaren Alter quasi „frisch“ produziert werden und maximal drei Monate alt sind, wenn sie zum Einsatz kommen. Durch die lange Lagerungszeit der Eizellen schleichen sich in späterem Lebensalter Fehler im Bauplan ein: zum Beispiel können Chromosomen verkleben und Trisomien (z.B. das Down-Syndrom, Trisomie 21) entstehen, oder es kommt zu Chromosomenbrüchen, so dass Eizellen keine lebensfähigen Embryonen mehr hervorbringen. 

Auch bei älteren Männern erhöht sich das Risiko für Produktionsfehler der Spermien, aber in geringerem Ausmaß. 

 

Klimakterium: Prä-, Peri-, Postmenopause, Menopause

 

Die Wechseljahre nennt man auf schlau Klimakterium und sie beginnen mit der Prämenopause. Das ist die Zeit, in der die ersten unregelmäßigen Zyklen und die ersten Schwankungen auftreten. Normalerweise passiert dies ab dem 40. Lebensjahr, es kann aber auch früher geschehen, was man dann Klimakterium praecox - verfrühte Wechseljahre- nennt. In der Prämenopause  kann die Menstruation stärker oder schwächer sein, und der Zyklus länger oder kürzer. 

 

Es schließt sich die Perimenopause an, das ist die Zeit „um die Menopause herum“, also die Zeit vor und nach der letzten Regelblutung. Diese wiederum bezeichnet man als Menopause und findet ungefähr im Alter von 52 Jahren statt (45 Jahre bis 55 Jahre). Nun weiß man ja nie, wann die letzte Blutung sein wird, also kann man immer erst rückblickend sagen, wann die Menopause war und wann sich die Postmenopause  angeschlossen hat.

 

Während der Perimenopause nehmen die Follikel in den Ovarien deutlich ab. Von 400.000 auf etwa 1000 Stück, so dass sich die Zahl der sogenannten „anovulatorischen Zyklen“ erhöht, also zwar eine Blutung stattfindet, aber kein Ei gesprungen ist. 

Je geringer die Anzahl an Einzellen, um so geringer auch der Spiegel eines Hormons, das sich Anti-Müller-Hormon (AMH) nennt und anzeigt, wie es um die Fruchtbarkeit bestellt ist. Fallen die AMH-Spiegel ab, zeigt es den baldigen Beginn der Perimenopause an. Gemessen wird der Spiegel normalerweise allerdings nur, wenn Frauen noch Kinderwunsch haben. 

 

Wenn der Eisprung ausbleibt, fehlt diesem Zyklus das Progesteron aus der Eizelle. Die Folge ist häufig eine übermäßige Wirkung des Östrogens, was schmerzhafte und starke Regelblutungen zur Folge hat, außerdem können auch Schmierblutungen auftreten.

Gegen Ende der Perimenopause kommt es zu langen Phasen ohne Regelblutung (Amenorrhoe). 

 

Die Postmenopause beginnt ein Jahr nach der letzten Blutung. Das Jahr nach der Menopause gehört also noch zur Perimenopause und erst, wenn man (frau) ein Jahr lang keine Menstruation hatte, schließt sich die Postmenopause an.

Ab dem 65. Lebensjahr befindet man sich im Senium. 

 

Symptome: heiß, traurig, müde

 

Bei 50 bis 80 Prozent der Frauen treten Beschwerden im Rahmen der Wechseljahre auf, die durch die Hormonschwankungen zustande kommen und nahezu alle Organe und auch die Psyche betreffen. Nur etwa 10 Prozent der Frauen haben keine Beschwerden. 

 

Die Klassiker sind Hitzewallungen, Schlafstörungen, Gewichtszunahme, Bluthochdruck, Kopfschmerzen und vaginale Trockenheit. Langfristig sind durch den Hormonmangel die Knochen brüchiger (Osteoporose), die Haut trockener, die Haare dünner, die Psyche labiler. Was sind wir Frauen doch geplagt. Erst jahrelanges Bluten und dann sowas. 

 

Während Frauen vor den Wechseljahren noch ein geringeres Risiko haben, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben, ziehen sie nach den Wechseljahren mit den Männern gleich, weil die schützende Östrogenwirkung ausbleibt. 

 

Und natürlich ist auch das Urogenitalsystem betroffen: Die Scheide wird trockener und kann Schmerzen beim Geschlechtsverkehr verursachen. Manche Frauen berichten auch über unangenehmen Ausfluss, denn durch den Östrogenabfall ändert sich mit der Trockenheit auch die bakterielle Besiedelung der Vagina, so dass es zu vermehrten Infekten von Blase und Vagina kommen kann.

Ferner können Senkungen von Harnblase und Uterus auftreten, insbesondere nach mehreren Geburten, die eine Inkontinenz  auslösen oder verstärken. 

Wichtig ist, bei vaginalen Blutungen in der Postmenopause eine frauenärztliche Untersuchung durchführen zu lassen, denn es können Krebserkrankungen oder Entzündungen dahinterstecken. 

 

Gehen wir nun zurück zu meiner Patientin, die sich in den Wechseljahren wähnte. Sie klagte über ausgeprägtes Schwitzen, das sie bei jeder noch so kleinen Anstrengung überkam. „Pitschnass bin ich, vor allem im Nacken. Mir laaft die Briehh!“ 

 

Ich frage sie noch ein wenig aus, wann genau die Brühe läuft, wie sie sich ernährt, welche Medikamente sie einnimmt und wie sie im Allgemeinen so lebt.

 

Denn wenn im höheren Alter die Brühe läuft, liegt das viel mehr an der generellen Konsitution, am Alter, an erhöhtem Blutdruck oder an Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus, Schilddrüse). Man muss aber auch seltenere Ursachen in Betracht ziehen, insbesondere wenn das Schwitzen außerhalb der Wechseljahre nachts auftritt und die Bettwäsche durchnässt. Dann ist Obacht angesagt, denn das kann auf Tumoren, auf Autoimmunerkrankungen oder auf entzündliche Krankheiten hindeuten. Früher war Nachtschweiß der Klassiker bei Tuberkulose, sie ist aber glücklicherweise in unseren Breitengraden selten geworden.

 

„Wann war denn die letzte Regelblutung“, frage ich sie nun. 

„Hach“, sie winkt lachend ab. „Vor 12 Jahren oder so.“ 

 

Damit ist die Diagnose „klimakterische Beschwerden“ definitiv vom Tisch und ich ordne eine Blutentnahme und weitere Untersuchungen an, um keine ernsten Erkrankungen zu übersehen. 

Dennoch sind ihre bekannte Schilddrüsenunterfunktion, die sie beratungsresistent „nach Bauchgefühl“ mit L-Thyroxin behandelt, das Übergewicht und der Bluthochdruck alleine sind schon Gründe genug. 

 

Hormonersatztherapie (HET)

 

Die Hormonersatztherapie in Form von Östrogen als Salbe, Zäpfchen, Gel oder Tablette gehört in die Hände von Gynäkologen, so dass ich an dieser Stelle keine fundierte Therapieempfehlung geben kann. Wichtig ist es mir aber zu erwähnen, dass die HET nicht verteufelt werden darf. 

 

Ja, sie kann das Risiko von manchen Krebsarten, insbesondere Brustkrebs, erhöhen. Gerade deshalb sollten Frauen mit familiärer Krebsvorgeschichte sich fachärztlich beraten lassen. 

Aber die HET kann die klimakterischen Beschwerden deutlich lindern und dadurch die  Lebensqualität erhöhen. Stehen „lokale“ Probleme in Form von vaginaler Trockenheit im Vordergrund, kann eine Gabe von Zäpfchen und Salben Abhilfe schaffen. 

 

Wichtig ist eine Anpassung der eigenen Lebensweise an die neue Situation. Da der Energieumsatz und die Muskelmasse sinken, ist Sport und eine Ernährungsumstellung von Bedeutung, um der Gewichtszunahme entgegenzutreten. Sport hilft außerdem, depressive Verstimmungen auszugleichen und die Stoffwechsellage zu stabilisieren. 

Gegen die Hitzewallungen werden mehrere dünne Lagen Kleidung empfohlen, um sich bei Bedarf entblättern zu können, auch soll kaltes Wasser über den Handgelenken lindernd wirken. Kaffee, Tee, Alkohol, Nikotin und scharfe Gewürze können die Hitzewallungen verstärken, daher empfiehlt sich der Verzicht auf diese Lebensmittel. 

Außerdem sollte jede Frau während der Perimenopause die Knochendichte messen lassen und bei Bedarf Kalzium und Vitamin D, bei bereits bestehender Osteoporose auch ein Bisphosphonat zur Vermeidung von Frakturen, einnehmen. 

 

Meine Patientin war nicht sehr glücklich mit meiner Einschätzung zu ihrem Lebensstil, den ich ihr vorsichtig vermittelte. Sie hielt sich dann aber eisern an die verordnete Bewegung und nahm ihre Medikamente jedenfalls weitgehend so ein, wie ich es ihr empfahl, so dass die Schweißausbrüche wenigstens etwas nachließen. 

 

Klimakterium virile

 

Auch Männer erleben in höherem Alter einen Rückgang ihres dominierenden Hormons Testosteron. Sie leiden dann unter psychischen und psychosozialen Problemen, unter Libidoverlust, Erektionsstörungen und Muskelschwäche.

Sie haben ebenso mit den Problemen der Hormonabnahme zu kämpfen und das manchmal auch nicht zu knapp. Dennoch bleibt Testosteron das dominierende Hormon in ihrem Körper, wohingegen bei Frauen das Östrogen nach den Wechseljahren nicht mehr das Sagen hat. 

 

Zum Schluss 

 

Zu guter letzt möchte ich noch anmerken, dass für viele Frauen nach den Wechseljahren, so unangenehm sie sich hier im Text anhören und bestimmt auch sind (ich werde es in den nächsten 5-15 Jahren erfahren), ein Lebensabschnitt beginnt, den sie genießen und sie glücklich macht. Viele Frauen berichteten mir von sorgenfreier Partnerschaft, weil sie keine Verhütung mehr betreiben müssen. Von Zeit für sich. Von einer Lebenszufriedenheit. Ich hoffe, dass es für viele Frauen zutrifft.

 

Eine alte Dame, 96 Jahre alt, sagte einmal zu mir: "Ach, ab 65 Jahre war's toll. Da war ich ja noch jung!"

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Quellen (alle angerufen am 11.7.2020)

https://www.aerztezeitung.de/Medizin/In-der-Postmenopause-mangelt-es-oft-an-Vitamin-D-328551.html

https://www.aerztezeitung.at/archiv/oeaez-2016/oeaez-3-10022016/klimakterium-virile-testosteron-karl-pummer-georg-schatzl.html

https://www.diabetologie-online.de/a/schwerpunkt-klimakterium-klimakterium-und-senium-1825983

https://de.wikipedia.org/wiki/Klimakterium

https://www.frauenaerzte-im-netz.de/koerper-sexualitaet/wechseljahre-klimakterium/wechseljahresbeschwerden-klimakterische-beschwerden/

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Bild: Pixabay, geralt