Borreliose - es ist ein Zeckenjahr

„Ich brauche eine Krankmeldung“, sagte der junge Mann, der vor einigen Wochen bei mir in der Praxis vorstellig wurde. „Ich hatte am Wochenende etwas Fieber und jetzt fühle ich mich noch schlapp. Es geht mir jetzt aber schon besser.“

„Husten, Schnupfen? Kopfschmerzen?“, hakte ich nach. Ich dachte natürlich sofort an Corona. 

„Nein, nichts. Der Schnelltest war negativ“, antwortete er schnell. Das gab mir keine komplette Entwarnung, denn ich hatte schon des Öfteren PatientInnen behandelt, die hochsymptomatisch mit Fieber und Husten in die Praxis kamen und einen negativen Schnelltest vorweisen konnten, aber die PCR bei uns dann doch positiv ausfiel. 

 

Also klärte ich ihn auf, dass ich dennoch gerne einen Rachenabstrich machen möchte und tippte schnell ein paar Infos in den Computer. 

„Haben Sie sonst noch Symptome? Durchfall, Erbrechen, Schmerzen?“

„Nein. Naja, wobei, ich habe gerade eine Allergie. Das kam am Wochenende, aber ich war damit schon in der Hautklinik. Das ist eine Nesselsucht.“

 

„Kann ich es mal sehen?“, fragte ich und er zeigte mir den „Ausschlag“ am Oberarm. 

Kreisrund, gerötet und etwas erhaben, also geschwollen. Eine Nesselsucht ist eigentlich nicht kreisrund, sondern „girlandenförmig“, geht ineinander über und zeigt sich eher großflächig und nicht so scharf begrenzt. 

Er schob das Shirt hoch. Dort imponierte das gleiche Bild: ein kreisrunder, geröteter Fleck, der in der Mitte etwas abblasst. Am Bein sah ich noch einen Fleck und am Rücken ebenfalls. 

Ich hegte einen Verdacht: „Hatten Sie in letzter Zeit eine Zecke?“

Er winkte ab. „Nein. Ich weiß, was Sie meinen. Borreliose, ne? Aber dann hätte ich ja so viele Zecken haben müssen, bei den ganzen Flecken.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das berühmte Erythema migrans kann auch an mehreren Stellen auftreten, wenn sich die Bakterien schnell im Körper verbreiten.“

 

Erythemata migrata oder auch Erythema migrans disseminata nennt man diese multiplen Flecken dann und sie müssen rasch antibiotisch behandelt werden. 

Es gefiel meinem Patienten natürlich nicht, aber ich ließ noch Blut abnehmen, obwohl die Serologie bei dem typischen Befund nicht sein müsste. Aber weil meine Diagnose so konträr zu der extern festgestellten Allergie war, wollte ich die Blutwerte sehen. Schließlich gab ich ihm ein Rezept über ein Antibiotikum, mit dem er zuhause beginnen sollte. 

 

Am nächsten Tag lagen mir schon die Ergebnisse vor. Es gab keinen Hinweis auf ein allergisches Geschehen und die frühen Antikörper auf Borrelien waren positiv. Wenn auch die Labordiagnostik bei Borreliose schwierig und mit Vorsicht zu genießen ist -Stichworte Diagnostische Lücke, Persistent von Antikörpern-, aber dazu später mehr. 

 

Ich rief meinen Patienten an und wir klärten die weitere Behandlung und die Kontrollen. 

 

Lyme-Borreliose

 

Die Lyme-Borreliose gehört zu den Krankheitsbildern, die wild diskutiert und häufig schwer behandelbar sind. Unter anderem auch deswegen, weil Heilpraktiker und vornehmlich privatärztlich tätige „Borreliose-Ärzte“ sich die Krankheit unter den Nagel gerissen haben und man viel Falsches über die Borreliose liest. Schließlich lässt sich mit Ängsten und chronischen Schmerzen von PatientInnen viel Geld verdienen.

 

Fakt ist, dass die Borreliose eine Multisystemerkrankung ist, die sehr krank machen kann und unentdeckt im Laufe der Jahre Spätfolgen an Haut, Gelenken und Nervensystem verursachen kann.

 

Übertragen werden die Bakterien, die zu den Spirochäten gehören und Borrelia burgdorferi heißen, durch den Stich einer Zecke. Vereinzelt werden auch Übertragungen durch Pferdebremsen beschrieben, aber ob Bremsen wirklich Vektoren sind ist umstritten. Der Hauptüberträger ist die Zecke. 

 

Je länger eine Zecke in der Haut „sitzt“, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit der Übertragung, daher sollte eine Zecke am besten gar nicht erst stechen, sondern von ihrem Werk abgehalten werden, indem man abends oder nach Ausflügen in die Natur sich selbst und die Kinder nach den fiesen Plagegeistern absucht. Lange Hosen und Repellentien („Zecken-Spray“) helfen, die Zecken abzuhalten, eine Garantie dafür ist es freilich nicht. 

 

Wenn man eine Zecke entfernen muss, dann am besten mit einer Zeckenkarten, - zange oder einer guten Pinzette. Und dann gilt: Einfach nach oben herausziehen. Nicht drehen, kein Öl auf sie tropfen, nicht mit Zahnpasta ersticken, nicht in der Haut belassen, bis sie von allein abfällt. Wird die Zecke erstickt (z.B. mit Öl), gerät sie unter Stress und spuckt in die Wunde, womit sich nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Borreliose erhöht, da die Keime im Magen-Darm-Trakt der Zecke lokalisiert sind, sondern auch die Wahrscheinlichkeit für eine „normale“ Hautinfektion.

 

Wenn ein Rest der Zecke in der Haut zurückbleibt, bitte nicht bohren und wild kratzen, sondern desinfizieren und dort belassen. Auch wir HausärztInnen sollten nicht wild daran herumfummeln. Früher wurde erzählt, der Zeckenkopf wandere bis zum Herzen weiter und dann falle man tot um. Nun, das ist natürlich Blödsinn. Der verbliebende Rest kann sich entzünden, das muss man beobachten. Oft bildet der Körper ein kleines Granulom, also ein narbiges Knötchen, um den Fremdkörper herum, manchmal wird der Rest mit der nachwachsenden Haut herausgeschoben.

 

Einteilung

 

Die Borreliose als Multisystemerkrankung ist weit verbreitet, aber bei Weitem nicht alle Infektionen verursachen Symptome. Häufig haben Menschen Antikörper, aber haben die Infektion nicht bemerkt. Ich zitiere das RKI: "Nach Untersuchungen aus Deutschland und der Schweiz wurde nach einem Zeckenstich bei 2,6 bis 5,6% der Betroffenen eine Borrelien-Infektion nachgewiesen, charakterisiert durch die sogenannte Serokonversion, also das Auftreten von Antikörpern im Blut. Nur ein kleiner Teil der Infizierten erkrankt. Insgesamt ist bei 0,3 bis 1,4% der Zeckenstiche mit Krankheitssymptomen zu rechnen."

 

Die Borreliose wird in mehrere Stadien eingeteilt. 

 

Früh lokalisiert:

Hier geht es um das klassische Erythema migrans, das sich meist um die Einstichstelle bildet. Es bildet sich ein kreisrunder Fleck, der sich ringförmig ausbreitet und in der Mitte blasser wird. Es sieht so typisch aus, dass man bei Auftreten unmittelbar mit einer antibiotischen Therapie beginnen sollte. Weitere Laboruntersuchungen sind nicht notwendig.  Außerdem gibt es noch das Borrelien-Lymphozytom, das wie eine kleine, rötliche Erbse an der Stichstelle aussieht. 

 

Früh disseminiert:

Disseminiert bedeutet, dass sich die Bakterien schnell im gesamten Körper ausgebreitet haben und an vielen Stellen Probleme verursachen. Multiple Erythemata migrata (Mehrzahl von Erythema migrans), multiple Lymphozytome, frühe Neuroborreliose mit Hirnnervenausfällen (z.B. Fazialisparese/ Gesichtsnervenlähmung) oder Meningitis, frühe Karditis (Entzündung am Herzen), Gelenkentzündungen. Es kann je nach Ausbreitung ein starkes Krankheitsgefühl auftreten. Blockierungen der Reizweiterleitung am Herzen (AV-Blöcke) sind Anzeichen einer Herzbeteiligung. Starke nächtliche Nervenschmerzen oder Gesichtsnervenlähmungen sind ebenfalls möglich. Insbesondere bei Kindern ist bei einer Fazialisparese immer an eine Borreliose zu denken.  

 

Spät:

Die späten Erscheinungen der Borreliose umfassen die Acrodermatitis chronica atrophicans, bei der chronische und schmerzhafte Hautveränderungen an den Armen auftreten, die späte Neuroborreliose und die chronische Lyme-Arthritis. 

Spätfolgen einer Borreliose werden wild diskutiert. Während das Krankheitsbild für manche die Erklärung für nahezu jedes nicht zusammenhängende Symptom oder für chronische Schmerzen darstellt, belächeln andere solche Gedanken. Die neurologischen Fachgesellschaften sind sich einig, dass die meisten der vermuteten „chronischen“ Borreliosen eine Fehldiagnose darstellen, da Antibiotika in der Regel gut wirken und kaum Resistenzentwicklungen aufweisen. Wenn eine antibiotische Behandlung nicht angeschlagen hat, darf die Diagnose angezweifelt werden. Es wird aber diskutiert, ob Folgeschäden der durchgemachten Erkrankung zu einem chronischen Schmerzsyndrom führen können, ohne noch aktiv zu sein. Wie gesagt, die Laborwerte helfen an dieser Stelle nicht weiter (s.u.).

 

Fakt ist aber doch: Wer Schmerzen hat, muss ernst genommen werden und man muss die Spätfolgen behandeln. Verzweifelten PatientInnen mit fragwürdigen Methoden das Geld aus der Tasche zu ziehen, ist der falsche Weg. 

 

Beispiele aus der Praxis

 

Jedes der Symptome bis ins Detail auszuführen, würde für einen Blog zu weit gehen. Stattdessen möchte ich mehr Schwerpunkt auf die Diagnostik in der Hausarztpraxis legen. Dafür habe ich neben dem o.g. Fallbeispiel zwei weitere Fälle aus der Praxis ausgewählt, die wie immer personell und zeitlich verfälscht und anonymisiert dargestellt werden. 

 

Lyme-Arthritis

Eine junge Frau kam humpelnd in die Sprechstunde und beschrieb starke Schmerzen im rechten Knie. Die Anamnese und die Untersuchung blieben recht ergebnislos. Es gab kein Fieber, keinen Infekt in letzter Zeit, keine Diarrhöen, und Zeckenstiche waren  auch nicht erinnerlich. Das Knie war leicht geschwollen und nicht überwärmt, aber schmerzhaft bei Bewegung. Andere Gelenke waren nicht betroffen und es gab keine Rheumafälle in der Familie.

 

Wir einigten uns darauf, erst einmal ein paar Tage abzuwarten, ob das Knie sich bessere, und ich bestellte sie für die darauffolgende Woche erneut ein. 

An dem Tag kam sie auf Krücken. Beide Knie schmerzten nun und dick geschwollen waren sie jetzt auch. Ich nahm also Blut ab, die gesamte Latte (Blutbild, Leber, Niere, Rheumawerte, Entzündungswerte, Borreliose) und schickte sie zum MRT. 

 

Einige Tage später hatten wir die Ergebnisse beisammen: Die Entzündungswerte waren leicht erhöht, das restliche Blutbild normal. Borrelien-Antikörper waren vorhanden und das MRT ergab eine Synovitis - eine Entzündung der Gelenkhaut, wie sie bei einer Lyme-Arthtitis vorkommen kann. 

 

Ich leitete eine Therapie mit oralen Antibiotika über vier Wochen ein, zusätzlich verschrieb ich „Antithrombosespritzen“, weil sie an den Krücken sehr immobilisiert war, und wir vereinbarten eine Wiedervorstellung. Als sie nach Wochen wieder zu mir kam, waren die Schmerzen besser, sie konnte wieder laufen, aber gänzlich verheilt war es noch nicht. Also stellte sie parallel bei einem "Borreliose-Arzt" vor, der ihr eine Langzeittherapie über mehrere Monate mit einem intravenös verabreichtem Antibiotikum empfahl.

 

Und da haben wir den Salat. Fakt ist nämlich, dass die Lyme-Arthritis in 80 Prozent der Fälle gut ausheilt, aber auch nach Wochen noch Beschwerden verursachen kann. Es muss besser geworden sein, aber eine vollständige Beschwerdefreiheit dauert manchmal. 

Die Langzeit-Abtibiotikagabe wird definitiv nicht empfohlen und hat mehr Nebenwirkungen als Benefit, denn man zerschießt sich sein gesamtes Mikrobiom im Darm, züchtet Resistenzen und die Nebenwirkungen der Substanzen summieren sich über die Zeit auf. 

 

Meine Patientin entschied sich nach Beratung bei mir gegen eine solche Therapie und ich bin sehr dankbar für ihr Vertrauen mir gegenüber. Inzwischen geht es ihr wieder gut, aber es dauerte recht lange, bis die Arthritis ausgeheilt war.

 

Typisch bei der Lyme-Arthritis ist der Befall eines großes Gelenkes, meist ist das Kniegelenk betroffen. Manchmal sind auch noch andere, aber immer große Gelenke, befallen, dann spricht man von einer Oligoarthritis. Sind viele kleine Gelenke am Körper schmerzhaft, insbesondere die Fingergelenke, oder haben PatientInnen Schmerzen an multiplen Lokalisationen, dann ist nicht von einer Borreliose auszugehen. Die Gesellschaft für Rheumatologie spricht sich klar gegen eine Labordiagnostik bei unspezifischen Gelenkbeschwerden aus. Aber genau das wird häufig von PatientInnen gefordert. Dass aber die Labordiagnostik nicht immer hilfreich ist, zeigt die nächste Geschichte.

 

Schmerzsyndrom

Eine Frau in den Fünfzigern klagte über multiple Symptome. Sie sei immer müde, die Gelenke an den Händen schmerzten, der Rücken auch und eigentlich tue ihr alles weh. Herzstolpern habe sie auch. 

„Frau Doktor, mir tun alle Gelenke weh. Das kann ja eine Borreliose sein“, sagte sie. 

Die klinische Symptomatik gibt allerdings keinen Hinweis auf eine solche Erkrankung.

Die Fingergelenke waren zwar etwas verdickt und zeigten Anzeichen von leichter Arthrose, aber sie waren nicht heiß oder rot, was für eine akute Entzündung spräche. Zudem wäre die Lokalisation untypisch, da – wie oben beschrieben – die Lyme-Arthritis in der Regel ein oder zwei große Gelenke betrifft. 

 

Die weitere Untersuchung ergab muskuläre Verspannungen im Nackenbereich, was nichts Ungewöhnliches ist. Ich ließ noch ein EKG anfertigen, um keine höhergradigen Herzrhythmusstörungen zu übersehen, aber als Momentaufnahme erschien es normal. Auch die körperliche Untersuchung war eher ohne Befund, außer, dass sie sehr schmerzempfindlich an mehreren Punkten der Muskulatur und den Sehnenansätzen war.

 

„Meine Freundin sagt, ich soll mich auf Borreliose untersuchen lassen“, insistierte sie. Sie habe vor Jahren mal einen Zeckenbiss und ein Erythema migrans gehabt. Und es gebe ja schließlich Spätfolgen. 

„Wurde das damals denn antibiotisch behandelt?“, frage ich und sie nickt. 

„Dann macht eine erneute Abnahme der Borrelienwerte aber keinen Sinn. Die Antikörper werden da sein und geben keinen Hinweis auf die Krankheitsaktivität.“

Sie ist nicht ganz zufrieden. Nur mühsam kann ich sie überzeugen, dass eventuell ein chronisches Schmerzsyndrom oder eine Fibromyalgie dahinter steckt und ich sie damit nicht unmittelbar in die psychosomatische Schublade stecken will. 

 

Eine nochmalige Abnahme der Antikörper wäre aber überhaupt nicht zielführend, weil wir aus den Werten keine Diagnose ableiten können. Es herrscht insgesamt die Meinung, dass man durch die Laboruntersuchung genau feststellen könne, ob eine Borreliose aktiv ist oder nicht. 

 

Aber so einfach ist es leider nicht. Es gibt zum einen eine sogenannte "Diagnostische Lücke", denn zwischen Ansteckung und Bildung von nachweisbaren Antikörpern vergehen etwa vier bis sechs Wochen, so dass in dieser ersten Zeit eine negative Labordiagnostik keine definitive Aussage über den Infektionszustand darstellt. 

Insgesamt gilt aber, dass ein Fehlen von Antikörpern in der Regel eine Borreliose ausschließt, wenn die Krankheitsdauer schon über längere Zeit (über sechs Wochen) besteht.

 

Wird bei der Borreliose Blut abgenommen, sehen wir wie bei anderen Infektionskrankheiten auch die Unterteilung in frühe Antikörper (IgM), die in der akuten Phase gebildet werden, und späte Antikörper (IgG), wenn die Infektion länger besteht. Allerdings ist sie nicht sinnvoll, um festzustellen, seit wann die Krankheit besteht. Denn die frühen Antikörper sind bei der Borreliose oft noch über Monate oder Jahre nachweisbar. Zudem haben viele Menschen die Krankheit ohne Symptome durchgemacht. Wann dies war, ist meist nur in Zusammenhang mit einem Erythema migrans oder einem erinnerlichen Zeckenstich zu erörtern. 

 

Deshalb ist es wichtig, die Labordiagnostik nicht als Screeningverfahren bei unspezifischen Beschwerden einzusetzen. Es gibt uns schlicht keine Aussage darüber, ob die Borreliose schuld an den Beschwerden ist. Außerdem manifestiert sie sich meist in einem spezifischen Organsystem (z.B. Nervensystem oder Gelenke) und nicht im gesamten Körper. 

 

Das heißt, eine Laboruntersuchung ist sinnvoll, wenn man einen konkreten Verdacht hat. Differentialdiagnostisch muss man bei unspezifischen muskulären Beschwerden, gerade in Verbindung mit sogenannten funktionellen Symptomen (Herzstolpern, Bauchschmerzen) auch an eine Fibromyalgie, ein chronisches Schmerzsyndrom oder ein chronisches Müdigkeitssyndrom denken. 

 

Es gibt noch weitere Untersuchungmethoden, die häufig von „Experten“ empfohlen werden, welche aber nicht sinnvoll und von den Fachgesellschaften definitiv nicht empfohlen sind: der Lymphozytentransformationstest, die Lymphozytentypisierung, und die Dunkelfeldmikroskopie. 

 

Eine PCR aus Liquor, Gelenksflüssigkeit oder einer Hautbiopsie ist diagnostisch aussagekräftig, wird aber im Alltag nicht angewendet. Hat man den Verdacht auf eine Neuroborreliose, wird eine Lumbalpunktion durchgeführt. Wenn die Antikörper im Liquor in einem gewissen Verhältnis zu den Antikörper im Blut (abgenommen am gleiche Tag) stehen, gilt dies als Beweis für einen intrathekalen Befall.

 

Darüberhinaus könnte man die Bakterien anzüchten, das Verfahren ist aber schwer und im klinischen Alltag nicht sinnvoll. 

 

Keinen Sinn macht außerdem die Untersuchung der Zecke auf die Spirochäten. Denn selbst wenn Borrelia burgdorferi in dem Plagegeist nachgewiesen werden, heißt es nicht, dass man selbst infiziert ist. Ferner ist ein fehlender Bakterienfund nicht beweisend für den Ausschluss der Infektion, denn man kann auch von Zecken gestochen worden sein, ohne es bemerkt zu haben. 

 

Fazit

 

1.    Ein Erythema migrans kann auch an mehreren Stellen auftreten, dann spricht es für eine schnelle und frühe Ausbreitung der Bakterien. 

2.    Ein Erythema migrans ist eine klinische Diagnose und gilt als Beweis für eine Borrelieninfektion. Es muss antibiotisch behandelt werden, z.B. mit Doxycyclin 200 mg pro Tag (1x/Tag) oder Amoxicillin 500-1000mg (3x/Tag) über 10-14 (21) Tage. Alternativ können Cefuroxim oder Azithromycin verwendet werden. 

3.    Eine Lyme-Arthritis heilt in der Regel gut aus. Auch eine Neuroborreliose kann oral behandelt werden, im stationären Setting werden allerdings zu Beginn meist intravenöse Gaben bevorzugt. 

4.    Keine Langzeittherapien mit Antibiotika! Zu viele Nachteile. 

5.    Hat man den klinischen Verdacht auf eine Lyme-Disease sollte antibiotisch behandelt werden. 

6.    Die Labordiagnostik ist mit Vorsicht zu genießen: Frühe Antikörper (IgM) können lange bestehen, auch nach der Therapie sinken die Antikörper oft nicht ab. Ferner gibt eine diagnostische Lücke. Die Lumbalpunktion ist Pflicht bei Verdacht auf eine Neuroborreliose. 

7.    Zecken nicht auf das Vorhandensein von Borrelia burgdorferi untersuchen lassen. Das ist schlicht sinnlos.

8.    Keine ziellose Screeninguntersuchung auf Borreliose. Die Aussagekraft der Laborwerte ist begrenzt. Eher die klinischen Symptome betrachten. 

9.    Sind weiterhin Beschwerden nach erfolgter Antibiotika-Therapie vorhanden, darf man die Diagnose auch hinterfragen. 

 

Da das Thema Borreliose heiß und emotional diskutiert wird, ist es wichtig, sich auf den entsprechenden Websiten von „Borreliose-Ärzten“ zu informieren, ob sie nicht „alternative“, nicht evidenzbasierte Behandlungsverfahren anwenden, die einfach nur viel Geld kosten.  Dann sollte man schnell Abstand nehmen.

 

Aussagen, dass sich Bakterien durch Antibiotikagabe in Gelenke „flüchten“ und man den Körper einfach nur durch Nahrungsergänzungsmittel und teure heilkräutermischungen in seiner Abwehr unterstützen soll, sind selbst erdachte Erklärungen und geben eher Hinweis darauf, dass man diesem Arzt oder dieser Ärztin keinen Glauben schenken sollte. Gute Literatur findet man beim RKI und bei den Fachgesellschaften (siehe Quellen). Außerdem möchte ich dieser Stelle auf die Zusammenfassung von Dr. Marton Szell verweisen und mich darüber hinaus für die fachliche Beurteilung meines Textes herzlich bedanken. 

 

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Quellen:

 

https://www.tropenmedizin-wien.at/2017/04/16/die-10-gebote-der-borreliose-für-ärzte/

https://www.sginf.ch/guidelines/guidelines-of-the-ssi.html

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_LymeBorreliose.html

https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-071.html

https://dgrh.de/Start/Publikationen/Empfehlungen/Krankheitsbezogene-Therapie/Lyme-Borreliose.html

https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/013-044l_S2k_Kutane_Lyme_Borreliose_2016-05-abgelaufen.pdf