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Mein Defi hat Geburtstag

Heute vor fünf Jahren lag ich nervös im Krankenhaus und wusste nicht, was auf mich zukommt. Nach über zehn Jahren, die ich von meinem LongQT-Syndrom wusste, wurden nun Konsequenzen ergriffen, damit ich wieder sorgenfrei leben kann.

 

Als ich 24 Jahre alt war, stellte sich heraus, dass ich eine angeborene Wahrscheinlichkeit für einen plötzlichen Herztod habe: ein sogenanntes Long-QT-Syndrom. Das ist eine Erkrankung am Herzen, bei der die Ionenkanäle nicht richtig funktionieren. Ionenkanäle sind kleine Tunnel in der Zellwand der Herzmuskelzellen, die durch Ein- und Ausstrom von geladenen Teilchen (Natrium und Kalium) die elektrische Aktivität unserer Pumpe steuern. Funktioniert der Kanal nicht richtig, kommt es zu Leitungsstörungen und damit zu einem erhöhten Risiko für Herzrhythmussstörungen, die tödlich enden können.

 

Man weiß bei dieser Erkrankung oft nicht, wie schlimm sie sich ausprägt und ob sie je wirklich in Erscheinung tritt oder nicht. Das hängt ein bisschen davon ab, ob es in der Familie unklare Todesfälle gibt oder nicht, es hängt außerdem vom Geschlecht, von Medikamenten und vom Alter ab. Da ich selbst unter Leistungssport keine Probleme hatte, wurde erst einmal abgewartet. Ich nahm meine Betablocker und musste mich daran gewöhnen, dank der Medikamente nicht mehr so leistungsfähig zu sein. Nach der zweiten Schwangerschaft erlebte ich dann eine Situation mit Herzrhythmusstörungen, bei der es mir gar nicht gut ging und ich kam ins Krankenhaus. Mit dem kleinen Baby zuhause, Purzelbäumen in der Brust und dem Gefühl, das Bewusstsein zu verlieren hatte ich Angst vor dem Tod. Das war keine schöne Situation. Das war echt schlimm. Ich wünschte mir damals schon, dass man mir diese Angst nehmen kann, dennoch wurde wieder abgewartet, weil man die Situation nicht aufzeichnen konnte. Monatelang trug ich eine Weste mit einem Defibrillator, und die Probleme vergingen. 

 

Jahre später, in einer Phase mit viel Stress, ganz vielen Diensten und Überstunden im Krankenhaus begann mein Herz zu stolpern. Und endlich sagte ein Kardiologe, der sich nicht scheute, die Verantwortung zu übernehmen: es wird Zeit für den Defibrillator. Ich bin ihm bis heute dankbar dafür, weil die Zeit der Ängste ein Ende hatte. Einen Defibrillator zu haben, ist keine Kleinigkeit. Aber immer wieder Ängste durchzustehen, ob meine Kinder mich vielleicht irgendwann leblos im Bett finden, ist schlimmer.

 

Was ist ein Defibrillator 

 

Ein Defibrillator ist ein elektronisches Gerät, das unter die Haut oder unter den Brustmuskel eingesetzt und mit Drähten mit dem Herz verbunden wird. Es registriert kontinuierlich die Herzaktivität und kann bei Bedarf einen Stromstoß abgeben, um  die Rhythmusstörungen zu beenden. Die meisten Defibrillatoren haben auch eine Schrittmacherfunktion integriert, damit zu langsame Herzen angetrieben werden.

 

Ältere Leute bekommen einen Defibrillator meist implantiert, wenn sie einen Herzinfarkt hatten und die Pumpfunktion stark eingeschränkt ist, denn das kann ebenfalls das Kammerflimmern auslösen. Jüngere Menschen erhalten das Gerät in der Regel, wenn sie eine schwere Herzmuskelentzündung hatten und das Herz praktisch ausgeleiert ist. Und wenn erbliche Störungen der Elektrik am Herzen vorliegen, die das Risiko für bösartige Herzrhythmusstörungen erhöhen. Dazu gehören das LongQT-, das Brugada-Syndrom oder auch das ShortQT-Syndrom, das aber noch seltener als die anderen beiden ist. Angeborene Erkrankungen wie die Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM), die Dilatative Kardiomyopathie (DCM) oder die Arhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARCM) sind ebenfalls Gründe, warum junge Menschen einen plötzlichen Herztod erleiden können. Häufig sind das die tragischen Fälle, bei denen ein junger Mensch auf dem Sportplatz kollabiert und stirbt. Und oft wusste man nicht um die bestehende Vorerkrankung, weil sie in der Regel in Ruhe keine Symptome verursacht.

 

Vor kurzem machte der plötzliche Zusammenbruch eines dänischen Fußballspielers  Schlagzeilen. Er konnte gerettet werden, weil sofort ein fähiges Team vor Ort war, das ihn mithilfe eines externen Defibrillators reanimieren konnte. Dem Fußballspieler wurde schließlich ein Defibrillator implantiert.

 

Kommt es bei Kammerflimmern nicht zur Reanimation durch Stromstoß, hat der Betroffene kaum eine Überlebenschance, denn das Kammerflimmern stoppt selten von alleine. Das Herz pumpt in diesen Fällen kein Blut mehr durch den Körper, weil das Herz teilweise mit 300 "Schlägen" in der Minute rast. Wird nicht sofort eine Herzdruckmassage durchgeführt, die den Kreislauf ersetzt, kommt es nach wenigen Minuten zur Hirnschädigung. Deswegen ist eine umgehende Reanimation, auch durch nicht professionelles Personal, immens wichtig. Je besser man den Kreislauf aufrecht erhalten kann, desto größer sind die Chancen, dass das eintreffende Rettungsteam mithilfe eines externen Defibrillators den Menschen retten kann.

 

Aber: je länger der Bewusstlose auf den Stromstoß warten muss, umso geringer sind die Chancen, das Kammerflimmern zu beenden. Daher ist es wichtig, auch als Laie einen automatischen extern Defibrillator (AED) zu verwenden, wenn sich einer in der Nähe befindet. Diese Geräte sind oft an Flughäfen, Rathäusern oder an öffentlichen Plätzen stationiert und wirklich selbsterklärend. Man muss die zwei Klebeelektroden wie auf einem Bild gezeigt am Körper des Patienten anbringen und einfach nur den Anweisungen des Gerätes folgen. Es analysiert die Herztätigkeit und „spricht“ mit den Helfern. Es rettet Leben, den AED zu verwenden! 

 

Wie lebt es sich mit einem Defi?

 

Anfangs hatte ich Angst. Ob ich nun für immer Patientin sein werde. Ob ich mit dem Gerät dauerhaft beeinträchtigt und vorsichtig sein muss. 

 

Drei Wochen nach der Implantation ging ich wieder arbeiten, aber verließ das Krankenhaus als Arbeitsplatz und ging in die Praxis. Ich wollte keine Reha machen, ich wollte keine Patientin sein. Nach drei Monaten startete ich ein vorsichtiges Sportprogramm und tastete mich langsam an meine Grenzen heran. Eine Bahn schwimmen - Pause. Zwei Bahnen schwimmen - ging auch. Irgendwann waren es wieder zwei Kilometer, die ich schaffte.

 

Joggen, Radfahren, Sex - das ist alles möglich. Warum ich Sex explizit erwähne?  Natürlich um mehr Leser zu gewinnen, Sex sells. 

Und natürlich weil das für jüngere Menschen eine der wichtigsten Fragen ist. Bekommt mein Partner/meine Partnerin einen Schlag, wenn der Defibrillator beim Akt auslösen sollte? Die Antwort lautet nein. Der Schlag, der durchaus unangenehm für den Defi-Träger wäre, wird nicht auf den anderen Körper übergeleitet. 

Wo die eigene Belastungsgrenze liegt, muss dann individuell ausgetestet werden, aber für die Liebhaber ausgefallener Spielchen muss erwähnt werden: Experimente mit Strom sollte unterlassen werden. 

 

Generell gilt es, bei einigen elektrischen Geräten Vorsicht walten zu lassen: Schlagbohrmaschinen und große elektrische Geräte bediene ich nicht. Habe ich aber auch vorher nicht getan. Nun habe ich endlich meine Ausrede dafür. 

Bei manchen elektrischen Geräten empfiehlt sich ein gewisser Abstand zum Defi, aber da ich mich selten auf mein Induktionskochfeld lege oder mich im Kaufhaus an den Diebstahldetektoren reibe, habe ich keine Probleme. Hier bei der Herzstiftung kann man die Vorsichtsmaßnahmen schön nachlesen. 

 

Inzwischen merke ich das Gerät kaum noch. Glücklicherweise musste es bisher nicht auslösen und der Akku hält sich tapfer. Das heißt, ich gehe regelmäßig zu den Kontrollen und vergesse das Teil danach wieder. Dennoch muss erwähnt werden, dass es auch sogenannte inadäquate Schocks gibt, bei denen der Defibrillator Störungen von außen als Kammerflimmern erkennt und einen Stromstoß abgibt. Das muss sich angeblich anfühlen, als trete einen ein Pferd vor die Brust. Ich möchte es nicht testen. 

 

Trotz alledem: Seit 5 Jahren geht es mir wirklich gut. 

Happy birthday, mein kleines Gerät. 

 

 

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Bild: JamesRein, Pixabay