Pillermann, Mumu, Kotzen, Furzen - ein Potpourri der begrifflichen Unsicherheiten

„Ich habe die ganze Nacht gekotzt wie ein Weltmeister!“ Der junge Mann vor mir im Sprechzimmer schildert es so, als sei dies eine Errungenschaft von besonderem Ausmaße. Der Titelgewinn ist nahe! Noch nie im Leben hat jemand so herausragend gekotzt, in der Weite glatte 3 Meter! Jubel, Jubel und Hurra!

 

Mein Gehirn befindet sich in einem großen Sportstadium, die Publikumsränge sind gefüllt mit bunt gekleideten Menschen, alle schwingen Fähnchen und Bänder, rufen anfeuernde Parolen und die warme Frühlingssonne scheint den Sportlern sanft ins Gesicht. In der Mitte der Rasenfläche stehen die fünf Kontrahenten, der Schiedsrichter hebt die Hand: „Auf die Plätze, fertig, kotz!“

 

Und los geht’s! In einem Schwall erbrechen sich die ambitionierten Sportler auf eine vor ihnen ausgelegte Plastikplane, die mit Abmessungen in Metern und Zentimetern versehen ist. Nummer 2 hat es am weitesten geschafft, die Bröckchen fliegen und landen bei 3,21 Metern! Hurra, der neue Weltmeister ist …

 

… mein Patient, die mir weiter ausführlich von seinen Magen-Darm-Eskapaden berichtet. 

„Und Flitzkacke vom Feinsten, die kam danach!“

 

Flitzkacke, Pissen, Kotzen wie ein Weltmeister, Eier, Pillermann, Pimmel, Schlitz, Schwanz, Arsch, Loch (welches auch immer), Dreckskackscheißmedikament - ich mag diese Wörter hier eigentlich gar nicht ohne Abwandlung schreiben, vielleicht wird der Artikel ja nun auch zensiert - ach herrje, ich fühlte mich noch nie so verwegen wie eben!

 

Die Kreativität ist groß

 

Aber das ist eben die Sprache, die mir oft in der Praxis entgegen gebracht wird.  Dann ist die Kreativität groß, wenn es um die Umschreibungen der Krankheiten und Wehwehchen an den sensiblen Körperstellen geht. Dabei ist es eigentlich nicht so schwer: Männer haben einen Penis, Frauen eine Vagina. 

Den (zugegebenermaßen vereinfachten) Spruch kennen man und frau doch aus der Kindheit? 

 

Nun müssen wir natürlich etwas differenzieren, denn gerne wird bei Frauen „untenrum“ einfach alles als Vagina bezeichnet. Dabei ist nur der nicht  sichtbare Teil die Vagina, das Äußere bezeichnet man als die Vulva. 

Ein Mann hat einen Penis und Hoden und das darf man auch so nennen, wenn es dort kratzt und zwickt oder schmerzt.

 

Gerade junge Leute haben eine Hemmschwelle, die anatomischen Begriffe präzise zu nennen. Vor allem junge Männer rutschen dann gerne ins Vulgäre.

Da war beispielsweise mal ein junger Mann, gerade erwachsen geworden, der eine Entzündung an der Eichel hatte. „Ich hab da was am Pimmel“, erklärte er ohne Umschweife. 

 

Man stelle sich vor, ich würde so in der Sprechstunde mit meinen Patienten sprechen:

„Okay, dann zeigen Sie mal den Pimmel. Haben Sie auch Juckreiz am Sack?“

 

Auch Frauen sind mitunter sehr gehemmt, aber sie verniedlichen eher ihren Intimbereich: „Die Schnecke brennt seit Tagen!“ 

Ich möchte hinaus in den Garten rennen und die Schnecke suchen, die mit brennendem Häuschen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 2 Zentimetern pro Stunde durch das Gras flitzt. So holt doch jemand die Schnecken-Feuerwehr!

 

Auch Mumu wird gerne gesagt, doch das sind eigentlich Karamellbonbons, oder habe ich das mit den Sahne-Mumus falsch in Erinnerung? 

Schmuckkästchen, Schlitz, Muschi. In einem Schmuckkästchen verwahrt man seinen Schmuck und nicht Uterus und Vaginalschleimhaut, auf einen Schlitz sollte man den weibliche Intimbereich erst recht nicht degradieren und Muschi kann man seine putzige Katze nennen. 

 

Es sei angemerkt, dass ich hier davon spreche, wie der Intimbereich im Sprechzimmer  bezeichnet wird. Wie das im Privatleben und im Schlafzimmer gehandhabt wird, ist eine ganz persönliche Sache. 

 

Manchmal wird das entscheidende Wort auch sehr leise ausgesprochen. 

„Ich habe Schmerzen im … Hoden.“

„Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden, wo haben Sie Schmerzen?“

„Im… Hoden.“

„Im Hoden?“

„Ja, im Hoden.“

 

Ich weiß, es ist meist die Unsicherheit, vor allem bei jungen Menschen. Ab einem gewissen Alter sagen die meisten Menschen jedoch einfach, was los ist: „Es sind Schmerzen, die ziehen bis in den Hoden.“

„Ich habe ein Brennen in der Scheide.“

„Beim Sex habe ich Erektionsprobleme.“

Das sind alles gesundheitliche Probleme, mit denen ich mehrfach pro Woche konfrontiert werde und die ich vollkommen normal finde. Aber ich bin ehrlich dankbar, wenn man normale Bergriffe verwendet. 

 

Daher hier eine Liste von alternativen Begrifflichkeiten, die man nutzen kann, wenn im Intimbereich ein Problem gibt: 

 

  • Pimmel, Schwanz, Sack: Penis, Hoden, Vorhaut. Vorne am Penis ist die Eichel, dahinter der Schaft, das Bändchen darf man ruhig einfach Bändchen nennen oder fachgerecht Frenulum. Das weiß allerdings kaum jemand, muss man aber auch nicht. 
  • Schnecke, Schlitz, Mumu: Scheide, Vagina (innen), Vulva (außen). Die Vulva besteht aus Venushügel, Schamlippen (innen und außen), Scheidenvorhof und Klitoris oder Kitzler mit Vorhaut.
  • Kotzen: Übergeben, erbrechen, spucken.
  • Kacken: Stuhlgang, „groß“ machen (das sagen viele Menschen, denn „Stuhlgang“ klingt einigen zu albern), Verdauung, Toilettengang.
  • Furzen: Blähungen, pupsen, Luft, Winde (das sagen viele ältere Menschen)
  • Pissen: Wasserlassen, Pinkeln, Pipi machen (sagen eher Kinder und Frauen), Urin lassen.
  • Arschloch: Anus, After, Po, Po-Loch (z.B. bei Fragen Kindern gegenüber, die Begriffe wie „After“ noch nicht kennen).

 

Mein Rat und Wunsch: Man sollte einfach offen und sachlich das Problem schildern. Erektionsprobleme sind Erektionsprobleme, eine trockene Scheide ist eine trockene Scheide und kein trockenes Schmuckkästchen, Erbrechen muss man in der Sprechstunde nicht als Kotzen bezeichnen (es sei denn, man hat tatsächlich die Kotz-Weltmeisterschaft gewonnen) und ein Penis ist ein Penis. 

 

Oder man macht es ganz einfach wie die Hessen: Es gibt „unnerum“ und „hinnerum“. Damit ist dann eigentlich auch alles klar. 

 

 

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Der Text ist genderneutral gemeint und nur für den Lesefluss wurde auf Sternchen und Sonderzeichen verzichtet. Man möge mir verzeihen, dass ich weitere Geschlechter nicht berücksichtigt habe. 

 

Bild: Pixabay, Negrobike