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Uterus vs. Karriere

Es gibt ja die Frauen, die es schaffen, trotz vorhandener Kinder eine ordentliche Karriere aufs Parkett zu legen.

Ich habe es nicht geschafft. Jedenfalls nicht im klassischen Sinne. Schon im Studium sagte mir ein vollkommen übernächtigter AIP (Arzt im Praktikum, gab es damals noch):

"Du hast einen Uterus. Schmeiß das Studium, so lange es noch geht."

 

Spoiler: Ich schmiss nicht. 

 

Bauch vs. Kopf

 

Mein erstes Kind bekam ich mit 30 Jahren, als ich gerade Assistenzärztin in der Pathologie war. Pathologin zu werden war damals mein großer Traum und ich schnitt und sägte mich durch die ersten Autopsien, popelte begeistert Lymphknoten aus paracolischem Fettgewebe heraus und mikroskopierte lernwillig eher unspektakuläre Dinge, wie vergrößerte Gaumenmandeln, geplatzte Wurmfortsätze und wucherndes Nasennebenhöhlengewebe.

Ich war noch jung, wirklich frisch im Geschäft und karrierewillig.

 

Aber meine biologische Uhr tickte und so entschied ich mich nach einem Jahr dafür, ein Kind zu produzieren. Meine Frauenärztin riet mir, erst den Facharzt zu machen und die Kinderpläne zu verschieben. Aber mein Wunsch war stärker. Bauch vs. Kopf = 1:0. 

 

„Das kriegst du hin mit der Karriere, so nebenbei“, dachte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn. Pustekuchen. Beziehungsweise Mutterkuchen.  

Denn sobald ich die Schwangerschaft verkündet hatte und damit als Arbeitskraft in der Pathologie, bei der man ja durchaus mit infektiösem Material und chemischen Dämpfen in Berührung kommt, nicht mehr verfügbar war, war ich abgeschrieben.

„Du hilfst uns nicht mehr, also können wir Dir LEIDER nicht helfen“, war die Aussage, der ein verächtliches Augenrollen folgte, wenn ich darum bat, wenigstens Mikroskopieren zu dürfen. 

 

So wurde ich ausgebored - ich langweile mich zu Tode. Ich las acht Stunden am Tag Fachbücher, schrieb ein Qualitätsmanagement –Handbuch für eine Zertifizierung des Krankenhauses und ab der 28. Schwangerschaftswoche musste (durfte) ich aufgrund einer Anämie zu Hause bleiben. 

 

Während des Mutterschutzes erzählte man mir, ich würde dann nach der Elternzeit in eine 80 km entfernte Filiale versetzt werden. „Das ist besser für die Weiterbildung.“ Is klar.  

Das war mit einem kleinen Kind zuhause einfach nicht zu machen. Also kehrte ich der Pathologie schweren Herzens den Rücken und fand eine hochinteressante Stelle in der klinischen Forschung.

 

Biologische Uhr 2.0

 

Vielleicht bin ich ja auch selbst schuld an meinen gescheiterten Karrieren. Dieser ständige Drang, sich vermehren zu wollen, war zu der Zeit einfach hinderlich. Und so war ich 1,5 Jahre später wieder schwanger und vergeigte mir die nächste Karriere.

Die Reaktionen waren nicht so negativ wie bei meiner ersten Schwangerschaft: „Herzlichen Glückwunsch. Das ist natürlich schön. Wenn auch nicht für uns“, ist immerhin zur Hälfte nett. Wobei die Freude über das Baby wirklich ernst gemeint war.

 

Ich kann die Arbeitgeber ja auch verstehen, dass Frauen im gebärfähigen Alter ein wirtschaftliches Risiko sind. So viele Frauen wie es aber inzwischen in der Medizin gibt, müssen Arbeitgeber und Konzerne sich darauf einstellen, dass manche Frauen nun mal dann und wann Kinder kriegen. 

Wenn Frauen ohne Sorgen nach einer Elternzeit zurückkehren können, wenn sie arbeiten können und ihre Kinder versorgt wissen, dann sind Mütter hocheffiziente und durchorganisierte Arbeitsmaschinen. 

 

Karriere auf Umwegen

 

Ich konnte aus mehreren Gründen mit zwei Kindern nie mehr als 75 % arbeiten. Zu meinen Klinikzeiten bedeutete das, unter der Woche 30-35 Stunden zu arbeiten, plus alle zwei Wochen einen 24h-Dienst am Wochenende abzuleisten. Mit dieser Regelung war ich von meinem Chef wirklich geschont worden, dennoch war ich sehr überlastet, denn meine Kinder waren zu dem Zeitpunkt erst 1 und 3 Jahre alt. 

 

In der Praxis konnte ich nicht an den Nachmittagen arbeiten, weil ich meine Kinder noch nicht zu lange alleine lassen kann und ich mit ihnen alleine wohne. Also blieb es auch hier bei Teilzeit-Arbeit. Die Teilzeit-Falle hatte zugeschlagen.

 

Die mir bekannten Frauen, die Kind und Karriere vereinbaren können, haben in ihrer Partnerschaft sehr gleichberechtigte Modelle, so dass beide annähernd Vollzeit arbeiten können. 

 

Ich hätte meine klassischen Karriere haben können, wenn ich auf Kinder verzichtet hätte. Dann wäre ich in meinem Alter nun Oberärztin oder Praxisinhaberin. 

 

Aber meine Kinder sind das Beste, was ich je zu Stande gebracht habe. Nie würde ich es anders haben wollen. 

 

Und deswegen verzichtete ich schließlich auf meine geordnete Karriere als Ärztin und mache nun mein eigenes Ding. Auf Umwegen, nicht immer nur bergauf, mit Kinderlachen im Hintergrund und Spaß an der Sache. Ich werde länger für den Facharzt brauchen und womöglich später als andere Kollegen eine Praxis haben, aber ich habe auch mehr von meinem Leben und von meinen Kindern.

 

Bauch vs. Kopf = Gleichstand. 

 

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Bild: SarahRichterArt, Pixabay