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Das Ende ist nahe!

Das klingt schon ziemlich apokalyptisch, nicht wahr? Die Überschrift habe ich bewusst gewählt, auch wenn ich damit eigentlich Bezug auf das "Ende der epidemischem Lage von nationaler Tragweite" nehmen möchte. Wenn man aber bedenkt, was für ein Winter uns eventuell bevorstehen könnte, passt die Überschrift in zweifacher Hinsicht. 

 

Nein, untergehen wird die Welt nicht und ich weiß auch, dass Viele jetzt wieder die Augen verdrehen und von Panikmache sprechen. 

„Covid ist nur eine Grippe!“ „

"Kinder trifft es nicht schlimm!“ 

„Zwangsimpfung! Freiheitsberaubung!“

Ich höre es schon in meinen Ohren klingeln bzw. sehe es auf meinem Bildschirm leuchten. 

 

Nein, die Welt wird nicht untergehen, aber es wird unschön werden. Die Krankenhäuser sind jetzt schon überlastet, das pflegerische und ärztliche Personal geht physisch und psychisch am Stock und auf die Gesundheit von Kindern wird gepfiffen. 

 

Es ist ja nicht so, dass jemals ein Text von mir irgendetwas Großes bewirkt hätte, aber ich kann meine Meinung nicht hinterm Berg halten. Und aktuell blicke ich auf diesen Winter, diese Politik und die Gesellschaft und kann nicht mehr, als den Kopf zu schütteln. Die Kraft ist beinahe aufgebraucht, und das obwohl ich nicht mal in einem Krankenhaus arbeite und die sehr schlimmen Fälle vor mir an der ECMO sehe.

 

Aber auch in der Praxis bekommen wir die volle Breitseite der Pandemie ab und das zerrt an den Nerven: Erkältungswelle, kranke Kinder, Booster-Impfungen und ein Anstieg der COVID-Fälle lassen jede Praxis ächzen.

 

Mitten in der 4. Welle - das Ende der epidemischen Lage

 

Ich kann manchen Menschen, die mit COVID in ihrem Umfeld keine Berührungspunkte hatten, keinen Vorwurf machen. Wenn man die Krankheit nicht gesehen hat, mag einem alles wie übertrieben vorkommen. Gleichzeitig tritt die Krankheit inzwischen flächendeckend auf, die Nachrichten sind voll davon und Informationsmöglichkeiten gibt es ausreichend, so dass man dem Thema Coronavirus kaum entkommen kann, es sei denn, man verschließt die Augen.

 

„Ich kenne niemanden, der daran gestorben ist“, heißt es dann manchmal. 

Fein, ich kenne auch niemanden, der bei einem Autounfall starb, dennoch passiert das leider. Und ich glaube meinem KFZ-Mechaniker doch auch, wenn er mir sagt, dass ein Wechsel der Bremsscheibe wichtig ist. Und verweise nicht auf Panikmache und eine Kampagne der Bremsscheibenindustrie, um Geld zu machen und Angst zu verbreiten. 

 

Warum wird denjenigen nicht geglaubt, die tagtäglich die Auswirkungen der Krankheit sehen? Im Krankenhaus, in der Praxis, in den Laboren und auch am Schreibtisch der Wissenschaftler*innen, die das Virus erforschen?

 

Da wird nun also das Ende der Epidemischen Lage verkündet, und dieses Signal ist fatal. Es mag sein, dass es Übergangsregeln geben soll, und dass irgendwann den Menschen die Freiheit zurückgegeben werden muss. Aber können wir dieses „Irgendwann“ nicht in das nächste Frühjahr, und nicht in den Anstieg der Winterwelle legen?

 

Das Ende der epidemischen Lage heißt für viele Menschen, dass die Pandemie vorbei ist. Es ist eine politische Entscheidung und ich bin sehr enttäuscht davon, dass diese von einer möglichen neuen Regierung mitgetragen wird. Herr Spahn macht den Abgang mit einem herzlichen "HAHA" und hinterlässt einer noch nicht handlungsfähigen Regierung eine Bevölkerung, die lechzend nach Normalität und nach 18 Monaten Pandemie müde ist. Und diese mögliche neue Regierung spielt mit und will wohl offensichtlich zu Beginn ihrer Regierungszeit nicht gleich Unmut stiften.

 

Der Flickenteppich an Maßnahmen, der von Bundesland zu Bundesland nach dem Ende der Maßnahmen in Deutschland vorherrschen wird und bei dem sich die einzelnen Ministerpräsident*innen profilieren wollen, ist vorprogrammiert. 

 

2G? 2G! Plus Test

 

Der Impfstoff für die Kinder steht in den Startlöchern und die Booster-Impfungen, die in Studien aus Israel einen deutlich verbesserten Schutz vor Covid-19 im Vergleich zu zwei Impfungen ergaben, müssen nun auch verteilt werden. Dass nun die dritte Impfung gefordert wird, zeigt nur, dass die Wissenschaft ihre Arbeit gut macht: neue Erkenntnisse zur Schutzwirkung werden eingearbeitet und logische Schlussfolgerungen getroffen. Viele Impfungen müssen für einen ausreichenden Schutz mehrfach gegeben werden: FSME („Zeckenimpfung“, Hirnhautentzündung) dreimal, Hepatitis dreimal, Masern zweimal, Tetanus/Diphterie/Polio bei Grunimmunisierung im Erwachsenenalter auch dreimal, Gürtelrose zweimal. Viele Impfungen müssen zudem regelmäßig aufgefrischt werden. 

Die dritte Impfung könnte man also vielmehr als Teil der Grundimmunisierung sehen. 

 

Es ist ja nun auch nicht mehr so, dass die Impfung super neu ist und man erst einmal abwarten will, ob sie im Allgemeinen schützt und gut vertragen wird. Millionen Impfdosen wurden verteilt und dennoch sind noch zu viele Menschen ungeimpft, um zum normalen Leben zurückzukehren. Vor einigen Wochen habe ich dazu einen Artikel geschrieben, in dem ich für die Impfpflicht plädiere. Keinen Impfzwang, nein. Aber 2G-Konsequenzen für diejenigen, die nicht bereit sind, ihren Teil dazu beizutragen, die Pandemie zu beenden. 

 

Neulich wurde ich gefragt, ob ich wütend auf Ungeimpfte bin. Nein, das bin ich nicht. Ich habe kein persönliches Problem mit jemandem, der sich nicht impfen lassen möchte. Ich kündige auch keine Freundschaften, ich beleidige nicht. Ich ziehe gegebenenfalls meine Konsequenzen und mich zurück oder bitte um einen Test, wenn man sich länger treffen will. 

 

Ungeimpfte sind meiner Erfahrung nach selten „Querdenker“ oder Impfgegner. Meist sind es Menschen, die Sorgen und Ängste haben. Manchmal sehen sie die Impfung für sich einfach als nicht notwendig an, weil sie nicht glauben, dass sie die Erkrankung hart treffen könnte. Gegenbeispiele gibt es jedoch ausreichend. Oft ist es auch das Unwissen, wo man sich unkompliziert impfen lassen kann. Bei mir im Umfeld gibt es noch kleinere Impfzentren, zu denen man gehen kann. Das weiß nur fast niemand.

 

Nachdem nun monatelang aufgeklärt wurde, sehe ich die Situation eher sachlich und nüchtern: Wir entkommen dieser Pandemie nicht ohne die Corona-Impfung. 

 

Es ist doch so: Der Mensch kann Wahrscheinlichkeiten nicht einschätzen. Er spielt Lotto, weil er für sich den Gewinn mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:139 Millionen bei sechs Richtigen plus Superzahl, bzw. 1:15 Millionen für sechs Richtige, als realistisch erachtet. Aber bei verschiedenen Krankheiten werden deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Erkrankung nicht als Risiko gesehen. 

 

Nun weiß man bei COVID, dass jüngere und bis dato gesunde Menschen selten an einem schweren Verlauf erkranken. Dennoch gibt es diese Fälle und dennoch ist eine Infektion mit SARS-CoV2 kein Spaziergang. Als Hausärztin sehe ich diejenigen, die kaum Symptome haben. Ich sehe aber auch die, die aus dem Krankenhaus kommen und am meisten erlebe ich Patient*innen, die sagen: „Das muss ich echt nicht nochmal erleben“, weil tagelanges Fieber, Gliederschmerzen und Schwäche sie ziemlich ausgeknockt haben. Und die Genesung dauert auch bei leichteren Fällen lange. 

 

Sich nicht dagegen impfen zu lassen, stößt bei mir auf Unverständnis, zumal die Erkrankung auf nahezu alle Ungeimpfen zukommen wird, und dann nicht nur ihnen Probleme bereitet. Angehörige können sich anstecken, die coronapositive Person muss in Quarantäne gehen, hat eventuell seine/ihre Kolleg*innen gefährdet, weil man noch zur Arbeit ging und im schlimmsten Fall kollabiert unsere Gesundheitssystem.

 

Wir können das nicht mehr stemmen. 

 

Gleichzeitig bin ich auch dafür, dass auch Geimpfte sich regelmäßig testen lassen, weil hinter einer Erkältung eben auch COVID stecken kann. 

 

Welche Maßnahmen brauchen wir also in diesem Winter?

 

1. Das Ende der Epidemische Lage sollte in das nächste Frühjahr verlegt werden. 
2. 2G flächendeckend.
3. Mehr Kontrolle in Cafés, bei Veranstaltungen und großen Versammlungen, ob 2G tatsächlich umgesetzt wurde, zB durch einen "grünen Pass", wie er in anderen Ländern eingesetzt wird. 

4. Bei hohen Zahlen müssen Maßnahmen wie die Maskenpflicht, Distanzunterricht, Homeoffice und Schulschließungen möglich sein.

5. Die dritte Impfung für alle Altersgruppen.

6. Damit das funktionieren kann, sind mobile Impfteams, kleinere Impfzentren und niedrigschwellige Impfangebote nötig.

 

So. Und nun Shitstorm incoming... ich mache mir derweil schon mal einen Kaffee. 

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https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)02249-2/fulltext

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=8B31EC70BC1CB329F086C76286EC25F3.internet072?nn=13490888#doc13776792bodyText13

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/coronavirus-und-das-ende-der-epidemischen-lage-der-ampel-plan-fuer-den-corona-winter-a-54304434-d2af-4119-a9e2-cf7499b7f258

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Bild: MarioHagen, Pixabay