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Hämorrhoiden vor der Nase

 

„Guck mal!“ Mein ehemaliger Kollege aus dem Bereich Dokumentation hält mir ein Foto vor die Nase. Ich arbeite zum damaligen Zeitpunkt in der Klinik, der Kollege ist für die medizinische Dokumentation zuständig. Er ist neu. 

 

Ich weiche angesichts des Smartphones vor meiner Nase zurück und blinzle auf das Display. Ein weißes Stück Etwas mit einem roten Streifen darauf lugt mir entgegen. 

 

„Was ist das?“, frage ich mit einer Mischung aus Verwunderung und Gereiztheit.

 

„Das war an meinem Toilettenpapier.“

 

„Was?!“

 

„Was?“ Er ist sich nicht der Tatsache bewusst, dass man eigentlich fremden Menschen keine Nach-Toilettengang-Toilettenpapier-Fotos zeigt.

 

Ich setze nach. „Wieso zeigst Du mir das?“ 

 

„Ich habe Blut am Klopapier“, erklärt er. 

 

Ach was. 

 

„Vielleicht solltest Du zum Arzt gehen.“ 

 

Er hält mir wieder das Smartphone vor die Nase. Ich gucke weg. Ich will es nicht sehen. Ich war nicht darauf vorbereitet. Er ist mein Kollege und das ist sein Stuhlgang.

 

 

Immer wieder Stuhlgang

 

Es ist etwas anderes, wenn mir meine Patienten so etwas zeigen. Es sind meine Patienten. Sie können gerne Würmer in Bechern, Stuhlgang auf Fotos oder Hämorrhoiden am Popo dabei haben. Kein Problem. Gucke ich mir alles an und betrachte es nicht anders, als würde mir jemand seinen großen Zeh entgegen strecken (Zehen sind im Übrigen manchmal ekliger als eine Hämorrhoide). 

 

Ich behandle meine Freunde, meine Familie, meine Kollegen. Ich kann mir jeden nackig angucken und intimste Fragen beantworten. Ich kann mich beim Essen über die Farbe und Konsistenz von Stuhlgang unterhalten. 

 

Aber wildfremde Menschen außerhalb meines Sprechzimmers möchte ich nicht hinsichtlich ihrer Hämorrhoiden beraten. 

 

 

Im Alltag nie im dienstfrei

 

Ich sitze beim Friseur und die die Dame fragt: 

„Und Sie haben heute frei?“ 

„Ja, mittwochs arbeite ich nicht.“ (Ärzte halt, gell. Wusste schon der Herr Lauterbach.)

„Ahja, warum? Sind Sie etwa Ärztin?“

„Hm, genau.“

„Oh, da hab ich mal ne Frage. Ich habe jeden morgen Durchfall“

 

Zack! Da ist es wieder. Das Durchfall-Thema. 

 

Ich sitze beim Augenbrauenzupfen. 

„Und was machen Sie so?“

Ich weiche aus. „Ich arbeite in einer Praxis.“

„Oh toll. Weil... ich hab immer so Sodbrennen.“

 

Zack. Sodbrennen. Merke: Ausweichen hilft auch nicht. Hauptsache Gesundheitswesen. 

 

Ich gehe zum Elternabend. 

„Ich hab gehört, Du bist Ärztin. Kannst Du Dir den Leberfleck mal angucken?“

 

Zack. Kleine Gefälligkeitsdienste. Ist ja nur mal Draufgucken. 

 

 

Mach doch mal!

 

Ich frage mich, ob das in anderen Branchen auch so verbreitet ist. (Gerne würde ich dazu Meinungen lesen.)

 

„Ich bin Koch.“

„Ja geil. Kannste mir mal was kochen?“

 

„Ich bin Friseurin.“

„Oh praktisch. Kriege ich eine Frisur kostenlos?“

 

„Ich arbeite als Verkäuferin.“

„Dann kannst Du mich an an der Kasse mal vorbei winken.“

 

Wem es bestimmt ähnlich geht: Informatiker, Handwerker („Kannste mal eben meine Küche aufbauen/Hauswand verputzen/Leitung verlegen?“), Juristen („Ich bräuchte mal einen Rat.“)

 

Nicht falsch verstehen: Anderen Menschen zu helfen ist mein Beruf und ich mache es mit Passion. Wenn Ihr über Stuhlgang sprechen wollt, dann kommt aber bitte in mein Sprechzimmer. Dann können wir uns ausgiebig und mit Hingabe darüber unterhalten. 

 

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